Land schafft Bilder – Landschaftsmalerei

„Land schafft Bilder“ – ein Titel, der die Eigenleistung des Künstlers nicht in Frage stellt, aber zeigt, welch großen Einfluss die Wahl des dargestellten Ortes auf die Bildfindung hat, denn Kai Quedens ist kein Städter, der für Städter Landschaft malt. Seine Malerei beschäftigt sich zuvorderst mit dem, was er am besten kennt – seine norddeutsche Heimat: „Landschaft ist mir am präsentesten, ich könnte sofort ein Bild malen, ich habe immer eines im Kopf. Ich komme aus einem engen Raum mit weitem Himmel. Landschaft hat mich früh fasziniert, es war mir ein Anreiz, sie in Form zu bringen, Elemente zusammenzufügen.“

Hinter dieser Äußerung verbirgt sich kein philosophischer Ansatz, kein werbender Charakter, nichts Idealisierendes. Sie reflektiert in aller Kürze die Entwicklung der Landschaftsmalerei im Zuge ihrer Emanzipation von der Auftragsbindung und damit von Funktion und Botschaft. Erst im 20. Jahrhundert, durch den Einsatz moderner Medien wie Fotografie, wurde sie von ihrer mimetischen Aufgabe entbunden. Sie musste weder dokumentieren noch idealisieren und stieg vom Schlusslicht innerhalb der Hierarchie der bildenden Kunst zu dem Genre auf, das die Malerei selbst feiert. Hier kann der Maler Grundlagenforschung am Medium Bild betreiben, sein subjektives Erleben, seine persönliche Sichtweise stehen im Mittelpunkt.

Die Landschaftsmalerei verlangt vom Künstler genaue Beobachtungsgabe, Konzentration auf das, was ihm wichtig ist und einen definierten Standpunkt seiner Person zur Umgebung, zumal dann, wenn der Mensch als Handelnder keine Rolle mehr übernimmt.

Das Fehlen von Personen in den Bildern von Kai Quedens ist bemerkenswert, schließlich handelt es sich bei den ihn inspirierenden Orten um Freizeitparadiese, die durchaus von Urlaubern und deren Bedürfnissen geprägt sind. Landschaft ohne inhaltlichen Zusammenhang mit Figuren als eigenständiges Bildthema für sich stehend ist keineswegs selbstverständlich und könnte zu einem ausführlichen kunsthistorischen Exkurs einladen. Hier sei nur auf zwei prominente Vertreter der nordischen Landschaftsmalerei, Caspar David Friedrich und Edvard Munch verwiesen, für die der Mensch als Träger der Bildaussage zentraler Aspekt war. Friedrich verlandschaftete die Religion, er schuf Metaphern der Entfremdung zwischen Mensch und Natur – Grundthema auch bei Munch, der sein dem berühmten „Schrei“ zugrunde liegendes Erlebnis schildert: „… ich blieb zurück – zitternd vor Angst – ich fühlte den großen Schrei der Natur.“

Verglichen mit solch bedrängender Naturbetrachtung verliert das Landschaftsbild von Quedens an Bedeutungsschwere. Es legt den Betrachter nicht fest, aber es macht ein Angebot: das Angebot der Kontemplation. Heute fehlt oftmals die Zeit für eingehende Naturbetrachtung, der Tourist hat das eingehende Schauen verlernt. Zur Ruhe zu kommen, als Voraussetzung für das Versinken und die Bereitschaft zur Beschaulichkeit , zur Gelassenheit, fallen der Hektik zum Opfer. Dennoch wird Landschaft noch immer als Träger von Stimmungen begriffen, Natur als Medium der Offenbarung. So ist die künstlerische Suche nach den Urkräften besonders wichtig.

Quedens beobachtet genau und formt die Charakteristika der Landschaft im Bild, konzentriert die Eindrücke seines geübten Sehens und fügt wiederkehrende Phänomene zu einer Einheit im Bild. Großzügig umfasst er das Gesehene und subsumiert typische Merkmale der landschaftlichen Wirklichkeit.

Vereinfachung zugunsten der Hervorhebung des Essentiellen transportiert die enge Verwurzelung mit der dargestellten Umgebung, wie sie die friesische Betitelung untermalt, enthebt die Bilder von Quedens aber dem engen, aufs Detail gerichteten Blick der Heimatmalerei. Er experimentiert mit dem Horizont, dem Verhältnis von Fläche und Raum. Der Norden macht es dem Maler nicht leicht. Im Gegensatz zum hellen Licht des Südens mit vergleichsweise idealen, konstanten Wetterbedingungen, fordert der Norden, sei es Amrum, die Bretagne, die Elbmarsch oder die etwas lieblicher anmutende Ostseeküste, eingehende Beschäftigung, um die wechselnden Stimmungen, Jahreszeiten, Licht-und Wetterverhältnisse, erfassen zu können.

Die von Quedens gewählte Arbeitsweise ist konsequent dem von ihm gewählten Motiv angepasst: Sie ist wohl durchdacht und nicht allein der Intuition unterworfen. Er malt jeden Tag, glaubt nicht an den flüchtigen Kuss der Muse, sondern verarbeitet in einem langen Prozess, auch an mehreren Objekten gleichzeitig, vor Ort entstandene Skizzen und kleine Aquarelle, aber auch Bilder aus der Phantasie. Farbe erhält einen besonderen Rang unter den Bildfaktoren in einer nur noch selten angewandten Technik, der Eitempera-Malerei: Pigmente werden in einer Emulsion aus Ei und Leinöl gemischt und verleihen der Palette starke Leuchtkraft bei gleichzeitig stumpfer, die Fläche betonender Oberfläche. Sie trocknet schnell und lässt sich x-Fach übermalen, was sowohl ein spontanes Notat wie auch eine prozessuale Arbeitsweise ermöglicht.

Schließlich bleibt die Versuchung der Kategorisierung. Stilistische Einordnung ist jedoch eng an die Bildaussage geknüpft. So kann Quedens‘ Malerei aufgrund ihrer starken Farbigkeit und der Betonung der Fläche als expressiv, ausdrucksstark, bezeichnet werden. Expressionistisch ist sie jedoch nicht, denn es fehlen das Postulat der Einheit von Mensch und Natur und der dramatische Ausdruck von Innenschau. Der Versuch der Schubladenfindung untergräbt das Individuelle und führt schnell zu herbeigesuchten Vergleichen. Bei Kai Quedens‘ Malerei sollten wir uns vielmehr darauf einlassen, zu entdecken, was ein Bild ist.

 

Viola Stohwasser-Gerdsen, Kunsthistorikerin M.A.